Sonntag, 14. Juni 2015

Ja, ich lebe noch

MAN bin ich `ne miese Bloggerin. Tut mir Leid :D

Ja ich bin noch am leben. Ich bin sogar recht gesund und munter und versuche mein Leben hier in Japan so sehr zu genießen wie nur möglich.
Es sind mittlerweile schon fast 3 Monate seid meiner Ankunft vergangen, einen Viertel des gesamten Austauschjahrs habe ich schon hinter mir (diese Erkenntnis hat mir die Sprache verschlagen). Der Mai ist verflogen und es ist schon Juni, Sommeranfang und Regensaison. Die Klimaanlage in der Schule wird angeschmissen (was den Klassenraum ohne Witz zu einem Kühlraum macht. Ich versteh nicht warum es direkt auf  VOLLER Stärke laufen muss, wer findet das angenehm. Warum.) und die Schüler haben zur Sommeruniform gewechselt. Was für mich keinen sonderlichen Unterschied macht, da meine Uniform aus Kleid und Bluse besteht (ok, die Ärmel werden jetzt aufgerollt) und ich schon , von den anderen abgeguckt, vor Wochen den Blazer und die braune Schleife abgelegt habe. Anscheinend ist jetzt zu mindestens der offizielle Zeitpunkt dafür. Ups.

Ein Foto von meiner Uniform versuche ich übrigens demnächst mal zu posten. Sie ist potthässlich (das ist so ärgerlich und blöd wenn man bedenkt dass es sich um die erste und letzte Schuluniform in meinem Leben handelt, nicht wahr :D?!), was eigentlich echt untypisch für Japan ist.  Normalerweise sind japanische Highschooluniformen nämlich total süß und auch die Schulmädchen von benachbarten Schulen, die ich morgens in der Bahn sehe, sehen alle ganz schick aus. Ich hab einfach ein bisschen die Arschkarte gezogen :D (nehme es mit Humor). Auch meine Mitschülerinnen regen sich immer wieder darüber auf. Aber naja, zu mindestens verbindet uns dieser gemeinsame Hass. (Ist immer so’n Gesprächsanfang und Eisbrecher: „Diese Uniform ist echt hässlich, nicht wahr?“)

Ich habe unglaublich, unglaublich viel zu berichten. Ich weiß beim Schreiben dieser Posts immer wieder gar nicht wo ich anfangen soll. Am Besten gehe ich auf ein paar Punkte ein, die schon letztes mal angeschnitten habe.

Mein Schulleben nochmal.
Erstens: kurze Erläuterung über das japanische Schulsystem. Es ist, glaube ich, genau so aufgebaut wie das Amerikanische. 6 Jahre Grundschule, 3 Jahre Mittelschule und 3 Jahre Oberschule. Ich bin in der zweiten Klasse der Oberstufe (entspricht der elften Klasse in Deutschland). Was sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich bringt. Normalerweise werden die Klassen jährlich gewechselt und nochmal neu durchgemischt. Ich bin jedoch in der „Internationalen Klasse“, welche sich durch besonders häufigen Englischunterricht und Französisch auszeichnet (also einem Schwerpunkt auf Sprache hat). Deshalb blieb die Klasse unverändert und alle kennen sich schon seit einem Jahr (eines der Nachteile an diesem Jahrgang).
Allerdings sind in Japan ältere Schüler, die sogenannten „Senpais“, krasse Respektpersonen. Informelle Sprache ist bei Senpais tabu (das ist so als würde ich Zwölftklässler in Deutschland Siezen) und überhaupt muss man ihnen immer helfen und alles. Diese sozialen Stellungen werden vor allem in Schulclubs bemerkbar, welche Jahrgangsübergreifend sind. Da müssen die Erstklässler nämlich so ziemlich die blödesten Aufgaben übernehmen :D . Aufbauen, abbauen, so was eben.
Kurzgesagt ist man als Erstklässler ein Neuling mit weniger Möglichkeiten. In der Hinsicht ist das dann doch nicht schlecht in der Zweiten zu sein.
Außerdem sind es die Zweitklässler die die superaufregende-special-Oberschulfahrt machen.
Ich hätte jedoch auch nichts dagegen in der ersten zu sein. Zwar machen sie für mich einerseits manchmal (!) einen verlorenen Eindruck. Andererseits gibt es schon Momente in denen die ganze sich-schon-ein-Jahr-lang-kennen-Sache nervt. Vor allem im Club, aber zum Thema Schulclubs kommen wir noch.

Japanischer Unterricht unterscheidet sich stark vom Deutschen. Man arbeitet weniger mit und hört mehr dem Lehrer zu (man könnte sagen dass der Großteil aus Vorträgen besteht). Vor allem Notizen von den Tafelbildern macht man sich viele. In Deutschland hängt es ja total vom Lehrer ab wie viel die Tafel in den Unterricht mit einbezogen wird. In Japan jedoch wird sie immer benutzt und es sind immer ROMANE die all die Schüler mitschreiben müssen (und die ich VERSUCHE mitzuschreiben. Ich bin allerdings so ein Lahmarsch dass alles unvollständig ist). Sie sind jedoch stets TOTAL ordentlich, hübsch und bunt, das sollten sich die deutschen Lehrer mal ernsthaft abgucken!
Dieses System ist recht praktisch für mich, da ich dadurch ganz ruhig und unauffällig für mich Japanisch mit meinen Kumon-Arbeitsblättern lernen kann.
Hier sind außerdem Einzeltische mit einem Fach unten. Ich versuche mal demnächst ein paar Fotos vom Klassenraum (oder  gleich der Schule) zu machen und dann alles nochmal deutlicher zu erklären.

Es gibt hier drei verschiedene Englischfächer mit verschiedenen Schwerpunkten.
1)   Comprehensive English – fokussiert sich auf das Lesen und Analysieren von Texten, Leseverstehen quasi, und dem lernen von neuen Vokabeln.
2)   Communicative English – fokussiert sich auf Grammatik.
3)   Cultural Understanding – mein absolutes Lieblingsfach. Wird von zwei unglaublich sympathischen, coolen und lustigen Amerikanern unterrichtet (die eine kann nicht einmal japanisch :D) und ist, im Gegensatz zu den anderen zwei Fächern, auch KOMPLETT in Englisch. Behandelt Themen die halt mit kulturellen Unterschieden zu tun haben, zum Beispiel Werte (und wie die Kultur in der man aufgewachsen ist sie beeinflusst) oder (unser jetziges Thema) Kulturschock.  Der Unterricht fokussiert sich generell vor allem auf’s diskutieren, reden und sich ausdrücken. Ist, meiner Meinung nach, ABSOLUT das Fach in dem die Schüler am Meisten lernen. Die Themen sind sehr aktuell für mich und teilweise spricht mir das Schulbuch direkt aus der Seele. Vor allem in diesem Fach wird das Interesse am Ausland (am Ausland nicht am Fach über das Ausland :D!) meiner Mitschüler bemerkbar. Macht mich total glücklich.
Außerdem ist der Unterricht echt kreativ und abwechslungsreich gestaltet, ähnelt ziemlich dem Unterricht „im Westen“. Macht sehr, sehr viel Spaß und auch die Lehrer habe ich sehr gerne. Mein totales Schultag-Highlight.

Der Japanische Englischunterricht hat einen ganz deutlichen Nachteil, den auch meine Mitschüler nicht so cool finden. So gut die Lehrer auch sind, sie haben einfach immer einen sehr starken Akzent. Und dieser wird den Schülern nun mal beigebracht. Einen akzentfreien Japaner gibt es demnach nicht.

Japanischer Schulunterricht insgesamt ist einfach Geschmackssache. Ich bevorzuge, um ganz ehrlich zu sein, den deutschen Unterricht. Vielleicht habe ich einfach Glück mit meinen Lehrern in Deutschland, jedoch ist da der Unterricht kreativer und abwechslungsreifer gestaltet, was einfach mehr zu meiner Persönlichkeit passt. (Jedoch habe ich mich heute ein wenig auf die Nachteile beschränkt, es gibt noch sehr viele ungenannte und vor allem positive Aspekte über dieses Thema. )

Denn abschließend möchte ich hervorheben dass ich das japanische Schulsystem , als Ganzes, ganz klar dem Deutschen vorziehe.
Mehr über dieses Thema folgt (:!

Und nochmal zum Thema Schulclub. Ich bin, wie schon erwähnt, dem International Club und Tanzclub beigetreten. Der International Club wird von den gleichen Amerikanern unterrichtet wie „Cultural Understanding“ und befasst sich mit allem über das Ausland, ist komplett in Englisch und alles. Ich dachte ich trete ihm einfach mal bei um über Deutschland zu erzählen und ihn durch meine Perspektive eventuell zu „bereichern“ (klingt arrogant :D!). Es macht unbeschreiblich viel Spaß! Meistens spielen wir etwas auf englisch und es fühlt sich einfach so an als würde ich mit meinen Freunden nach der Schule abhängen (:. Leider ist er ziemlich selten.
Der Tanzclub ist hingegen schon etwas ernster. Zwar gibt es nur vier mal in der Woche Training (und ich mache wegen IC nur drei mal mit), was echt wenig für Japan ist (so viel zum Thema intensiv), jedoch widmen sich alle schon ziemlich ihrem Ding und ist das alles doch wichtig für alle. Niemand macht halbherzig mit und ich liebe das. Er ist jedoch schon recht streng, im Vergleich dazu ist IC gar nichts :D! Nicht auf die blöde Weise, eher auf die Weise das es alle halt ernst nehmen. Ich habe sehr viel Spaß am Tanzen (auch wenn ich echt nicht gut bin hahahaha) und finde es gut dass ich mich regelmäßig bewege. Jedoch fühlt sich vor allem hier die Kluft zwischen all den anderen und mir „tief an“. Nochmal zum Thema sich seit einem Jahr kennen.
So schlimm wie das jetzt klingt ist es aber nun auch wieder nicht :D! Ich muss einfach öfter nachfragen und mir demnächst mehr Mühe beim Japanisch geben.

Apropos, wie steht es denn mit meinem Japanisch?
Ganz ehrlich, ich bin in einer leichten Frustphase. Ich verstehe schon viel mehr und nicht allzu schwere Unterhaltungen sind okay. Aber meine Grammatik ist einfach katastrophal. Nicht nur das ganze System ist ganz anders und ungewohnt, auch habe ich viel zu wenig Erfahrung mit der Sprache um dieses Gefühl zu bekommen. Im Englischen kann ich schnell sagen dass sich ein Satz grammatikalisch falsch anhört, höre einen Bruch in der Melodie. Im Japanischen jedoch kann ich nicht ansatzweise bemerken wenn irgendetwas nicht stimmt. Ja, vor allem die Grammatik ist bei mir noch komplett im Anfangsstadium.
Da fällt mir eine Sache ein, die eine Freundin meinte (auch eine ATS in Japan). Und ich will sie an dieser Stelle mal „zitieren“ weil es sich genau so für mich anfühlt. Wobei ich mich an ihre genauen Worte nicht erinnere, aber grob meinte sie dass sie in anderen Sprachen schön reden kann und im Japanischen eher noch Wörter aneinanderheftet, in der Hoffnung den groben Sinn vermitteln zu können. Genau so läuft das Gerade. Das kommt davon wenn man sich Japan als Gastland sucht, schätze ich.  
Aaaaaaber ich verstehe mittlerweile so viel mehr als bei meiner Ankunft! Das ist doch was!

Jedoch hinterfrage ich schon manchmal diese ganze Aktion. Warum Japan? Warum Japanisch? Warum etwas so schweres, so weit entferntes? Was hat dich geritten?
Ja solche Momente gibt es. Das gebe ich offen zu. Aber genau diese Gedanken abzuschütteln, genau in solchen Zeiten überzeugt zu bleiben heißt für mich „es durchziehen“. Würde ich es jetzt lassen (wär eh unmöglich bei all dem Geld und allem) würde ich gar nicht dafür kämpfen. Ich würde es nur bis zu dem Grad machen bis zu dem es mir passt, in dem es mir noch bequem ist. JETZT FÄNGTS ERST RICHTIG AN :D!!!

Also ihr seht ich bin immer noch motiviert. Aber ganz ehrlich, die rosarota Brille ist abgefallen. Ich war davor der totale Japan-Freak, dieses Land war für mich makellos. Und ich sehe immer noch all das was mich hier her gebracht hat. Ich bin immer noch von dieser so fremden Kultur fasziniert. Aber auch genervt, manchmal zu mindestens. 

Kurzgesagt, ich bin glücklich. Denn jetzt sehe ich Japan, ich sehe die Hindernisse. Ich weiß womit ich zu tun habe. Aber ich bin glücklich.
Alles läuft super. Ich lerne dazu. Vielleicht werde ich sogar ein wenig erwachsen  oder reif.

OH MEIN GOTT ist dieser Post lang geworden. Aber gut, ich habe schon ewig nichts von mir hören lassen.
Ab heute versuche ich alle ein oder zwei Wochen etwas zu schreiben. Ich bin leider keine disziplinierte Person, versuche hier aber eine zu werden (DAFÜR ist Japan mal absolut der richtige Ort).  Die Tage kommt noch etwas über das Sportfest und meine Schulevents generell.

Nochmal sorry für dieses lange Schweigen. Ich versuch mich ernsthaft zusammenzureißen!


Eure Sascha (mein Spitzname in der Schule)